Selbstverlag - Chance oder Risiko?
Verfasst von Peter J. Dobrovka
Datum: 14.November 2004
 
Für Autoren, die von richtigen Verlagen einfach nicht verlegt werden wollen und klug genug waren, keinem Druckkostenzuschuss-Verlag auf den Leim zu gehen (s. entsprechenden Artikel), gibt es noch die Möglichkeit, einen eigenen Verlag zu gründen. Das ist dann der sogenannte Selbstverlag oder Eigenverlag.

Es gibt nicht wenige Menschen, denen ist es nur wichtig, ihr Werk einmal gedruckt zu sehen. Sie verteilen es (gegebenenfalls kostenlos) an Verwandte, Bekannte, im Verein oder in ihrer Glaubensgemeinschaft und legen es weder darauf an, damit berühmt zu werden, noch Geld damit zu machen. An diese Leute wendet sich dieser Artikel definitiv nicht. Er wendet sich an Autoren, die schreiben, um gelesen zu werden, und das von so vielen Menschen wie möglich, und - wenn sie schon nichts daran verdienen - doch bitteschön wenigstens nicht draufzahlen wollen.

Vom wirtschaftlichen Aspekt her steht der Selbstverlag dem Druckkosten-Zuschuss-Verlag nahe, denn auch hier muß der Autor für seine Veröffentlichung Geld investieren. Bücher produzieren ist teuer. Allerdings behält der Selbstverleger die absolute Kontrolle über Gestaltung, Produktion, Vertrieb und Marketing seines Buches. Obendrein bekommt er nicht irgendwelche kümmerlichen Honorarprozente von jedem verkauftem Exemplar, sondern er kann sich den kompletten Verkaufspreis in die eigene Tasche stecken.

Das hört sich alles wunderbar an. Und ist es auch, wenn der Laden läuft.

Allein, die Realität zeigt: In der Regel läuft er eben nicht.

Zum Teil liegt es an elementaren Fehlern, die der Autor in seiner Eigenschaft als Verleger macht, zum Teil an der Struktur des Buchmarktes selbst. D.h. selbst wenn jemand alles "richtig" macht, kann er auf seinen Büchern sitzenbleiben. Bücher zu schreiben ist schwer, aber sie zu verkaufen ist noch viel schwerer.

Die elementaren Fehler betreffen vorwiegend die äußere Erscheinungsform des Buches. Manche Leute haben dafür einfach keine glückliche Hand. Dabei ist das wichtig (s. Artikel "Buch als Möbelstück")
Eine weitere Achillesferse ist der Preis, wobei es die Druckkosten in Deutschland einem sehr erschweren, etwas richtig zu machen. Für weitere Details empfehle ich den Artikel über Kleinverlage.

Was die Vermarktung angeht, so ist der Autor in der Regel schon rein physisch überfordert. Angenommen, er hat einen Beruf und eine Familie, bleibt ihm nicht genug Zeit für all die Telefonate und Klinkenputzerei und E-Mails und was sich da sonst noch an Verlagsarbeit anhäuft.
Freunde und Verwandte kann man in der Regel sofort vergessen, denn Erstens wollen diese das Buch nicht kaufen sondern geschenkt bekommen, zweitens lesen sie es, wenn man es ihnen gegeben hat, nie, und drittens hat man soviele Freunde und Verwandte gar nicht.
Mit einer Webseite über das Buch ist es ebenfalls nicht getan, denn wer soll denn diese Webseite in der Wüste Internet mit seinen Milliarden von Homepages überhaupt sehen?
Also Werbung. Anzeigen schalten, Rezensionsexemplare an irgendwelche Tageszeitungen schicken, Internetforen infiltrieren. Man kann dabei wunderbar beobachten, wie die Stunden und Tage wie im Fluge vergehen und sich der Geldbeutel leert, als habe er ein Loch in der Größe der Titanic. Als Ergebnis kriegt man dann vielleicht zehn Bücher im Monat verkauft.
Und wenn nach dem Besuch von Zwanzig Buchhandlungen (Zeit und Sprit) alle Zwanzig dankend abgewinkt haben, kommt die wahre Freude auf.

Wie gesagt, auch wenn man alles richtig macht, kann einem das passieren. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, in der Regel haben sie alle irgendwie damit zu tun, daß es einfach zuviele Bücher auf dem Markt gibt. Auf ein Problem sei jedoch besonders hingewiesen. Ein Problem, auf das der Selbstverleger keinen Einfluß hat:

Selbstverlage geniessen kein hohes Ansehen!

Viele Außenstehende sagen sich: Wer sich selbst verlegt, der muß es ja nötig haben. Wäre er gut, hätte er sicher einen richtigen Verlag gefunden. Das ist insofern ein Vorurteil, als daß die meisten Menschen, die das sagen, noch nie ein Buch von einem Selbstverlag gelesen haben und gar nicht wissen können, daß viele im Selbstverlag erscheinende Werke den Vergleich mit "richtigen" Publikationen nicht zu scheuen brauchen. Abgesehen davon, daß auch gute Manuskripte bei den großen Verlagen abgelehnt werden können, haben manche Selbstverleger von Anfang an ihre eigenen Pläne mit ihrem Werk, und sei es auch nur im festen Glauben, auf diese Weise einen fetteren Gewinn einzustreichen.
Nichtsdestotrotz, das Vorurteil steht, und damit muß man leben. Es wird auch nicht verschwinden, solange 90% aller Eigenveröffentlichungen amateurhafter Mumpitz der übelsten Sorte sind, der völlig zu recht bei einem seriösen Verlag nicht mal mit der Kohlenzange angefaßt worden wäre. Das ist nämlich die zweite Hälfte der ganzen Wahrheit. Der eine Selbstverleger, der sich mit seinem Werk alle Mühe gegeben hat, der Konkurrenz der Großverlage Paroli zu bieten, muß es sich gefallen lassen, auf dem freien Markt in derselben Reihe wie die 9 anderen zu stehen, die in der Qualität ein wenig, ähem, ABFALLEN.
Hier hilft es etwas, wenn man positive Rezensionen und Leseproben vorzuweisen hat. Das Vorurteil verhindert leider auch, daß der eilig vorbeiströmende Kunde, der sich seine Meinung schon gebildet hat, diese überhaupt liest.

Wenn es mir nun gelungen ist, jemanden von der Idee abzubringen, sein Buch im Selbstverlag zu veröffentlichen, ist mein Job erledigt.

Das heißt keinesfalls, daß ich Leute, die so etwas trotz allem erfolgreich durchziehen, nicht bewundere. Nehmen wir den Basilisk-Verlag (auch ein Verlag für phantastische Literatur). Der startete, wie auf seiner Webseite nachzulesen ist, auch als Selbstverlag, hatte damit Erfolg, und inzwischen werden auch andere Autoren verlegt. Ebenfalls mit Erfolg. Tja, wenn das nur bei jedem so laufen könnte ...

Der informierte Leser wird jetzt vielleicht fragen, warum ich nicht den Eldur-Verlag als Beispiel anführe. Da in unserem Programm auch Bücher von mir selber und von Frau Julia Langhardt vertreten sind, sind wir ja gewissermaßen auch so was wie ein Selbstverlag. Nun ja, das stimmt und stimmt wieder nicht. Der Eldur-Verlag ist von Anfang an als richtiger Verlag konzipiert worden, mit hohen Auflagen, breitestmöglichem Vertriebsweg und Budgets für Marketing. Und die ersten beiden produzierten Bücher sind auch nicht unsere eigenen.
Davon abgesehen: Zum Zeitpunkt dieses Artikels ist noch gar nicht absehbar, ob wir erfolgreich sein werden. Und wenn ja, wessen Bücher die Bestsellerliste anführen werden. Zur Zeit schaut es ganz so aus, als ob es "Hämoglobin" von Torsten Sträter werden würde. Und so brillant ich den Mann auch finde - im Selbstverlag hätte ich auch ihm keine großen Chancen eingeräumt.
 
Zum vorhergehenden Artikel
Zum nächsten Artikel